Freitag, 9. Mai 2014

Notizzettel #003





Das der ausländische (sprich: untertitelte) Film in den Staaten keinen guten Stand hat, ist ja bekannt. Anthony Kaufman von IndieWire hat dazu ein paar Gedanken zusammengetragen:
„We’ve all heard that VOD platforms give non-Hollywood films a chance to find their audiences. But foreign-language cinema has never performed in ancillary outlets in the same way as they have in theaters. "We always make more money theatrically," said Samuel Goldwyn Films' Peter Goldwyn, who said that one of the company's recent releases (which he declined to name), though successful theatrically, only earned a small amount of revenue on digital platforms. "That’s always been the case," he said. "And I think it is just about the subtitles."


Wolfgang Pfeiffer, Betreiber einer Filmproduktion und einer Drehbuchschule in Berlin, findet in der Berliner Zeitung erstaunlich klare, ungewohnte Worte zur Lage des deutschen Films, auch und gerade in Konkurrenz zum vielgescholtenen US-Blockbuster-Kino:
„Im Kino geht es nicht um Authentizität. Im Kino geht es um geistig-emotionales Erleben. Das Fernsehen, das sagt schon der Name, zeigt mir die sichtbare Welt so, wie sie ist. Authentizität ist ein Qualitätsmerkmal des Fernsehens, nicht des Kinos. Kino benutzt die sichtbare Welt, um etwas anderes zur Erfahrung zu bringen – etwas, das an der Oberfläche der Erscheinungen nicht ablesbar ist. Gute Kinofilme handeln von der Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit. Deutsche Kinofilme sind in der Art, wie sie erzählen, Fernsehfilme.“


Katja Nicodemus von ZEIT Online hat die Nominierungen von Fack Ju Göhte beim Deutschen Filmpreis zum Anlass genommen, sich über das Frauenbild in deutschen Komödien Gedanken zu machen. Debattierungswürdig und nicht vollkommen wasserdicht, aber nicht ohne Wahrheitsgehalt:
„Zugegeben, beim Schreiben dieses Textes kommt man nicht umhin, sich zwischendurch wie ein kleiner Emanzendrachen zu fühlen, der seinen politisch korrekten Feueratem auf das lustig-lockere deutsche Komödienvölkchen und sein bestens unterhaltenes Publikum bläst. Es geht hier aber nicht um die Frage des Locker- oder Unlockerseins. Es geht auch nicht (oder erst in zweiter Linie) um Geschmacksfragen. Tatsächlich ist diesen Filmen etwas Grundlegendes abhandengekommen. Billy Wilder, einer der größten Komödienregisseure, hat es einmal die für jede Komik unverzichtbare Würde auch der lachhaftesten Komödienfigur genannt. Man könnte auch von der Empathie – des Regisseurs und des Autors – sprechen, die den Unterschied macht zwischen der Wurschtigkeit des Abziehbilds und dem Eigenleben der Figur.“


Adam Hobauer von Movie Mezzanine macht sich Sorgen über die Verschmelzung von Fankultur und Filmkritik, wie sie vor allem im englischsprachigen Internet Verbreitung findet:
„And as one more outlet narrows the number of professional opportunities available to burgeoning writers, it also further muddies the separation between fan and critic, amplifying the reach of a perspective that has long been the norm among online communities. Enabled by the format of the long form video review, it is leading to a new kind of critic, one whose emotional connections supersede their critical faculties, whose ability to analyze is eclipsed by their desire to perform.”


Don von Going To The Movies hat einen schönen Text zur zweiten Staffel Breaking Bad verfasst, mit der ich nun endlich auch durch bin:
„Es gibt eigentlich nicht wirklich viel zu meckern an Staffel 2. Man kann wirklich nur die Macher, die Autoren und die Darsteller loben, die hier wirklich hochklassige und spannende Unterhaltung bieten, die zum Glück auch weit darüber hinaus geht, dass hier einfach nur einer Drogen kocht.“


Im oben geannnten Artikel lässt Don seinem Unmut über Walters Frau Skyler freien Lauf, was ich durchaus nachvollziehen kann. Oder ist das nur unsere männliche Sichtweise auf eine unterschätzte Figur? Megan Cox von BitchMedia und Nico Lang von Thought Catalog gehen „dem Problem Skyler“ auf den Grund:
„While Breaking Bad takes us in a journey into the dark heart of suburbia, asking us to question the ways in which we glorify traditional manhood, we should be able to do the same for women — in a way that doesn’t just ape what the boys are doing or ask women to be more like men. We don’t need a female Tony Soprano or a Don Draper with boobs. We need to let women be their own entities and archetype, allowing them to blaze a different trail, where they don’t have to play the hero or victim, neither fuckable nor likeable.
They can just be themselves.“


Ein etwas älterer Beitrag von Bibliotheksratte, der sich noch in meinen Bookmarks befunden hat und den ich euch nicht vorenthalten möchte, zeigt er doch eindrücklich, wie gut und wie schlecht man ein und dieselbe Sache machen kann:
„An sich finde ich ja Videos von Bibliotheken in denen gesungen wird recht amüsant. Und rein optisch ist das Video auch sehr ansehnlich. Aber, und natürlich gibt es ein “aber”, der Text! Der Text ist schlimm, richtig schlimm. Tut mir Leid für den oder die TexterIn, aber das geht so nicht.“


Wie von Mittelerde inspiriert wirken diese interessanten Konzepte für mehr Natürlichkeit im städtischen (Wohn-)Raum, die Michelle King für The Airship zusammengetragen hat:
„At first glace green roofs might seem a little bit gimmicky. Sure, they’re beautiful, but what do they do? As it turns out, green roofs do quite a bit more than just make your home look like something out of Lord of the Rings. They absorb rainwater and act as a natural filter, increase agricultural space, lower urban air temperatures and provide insulation. Really puts your roof to shame, huh?“


Annika von Die Filme, die ich rief hat mit dem #MonsterMay begonnen und den wunderbaren Critters besprochen:
„Es ist bisher wie erwartet ein großer Spaß mit kleinen Monstern. Und natürlich mit einer ordentlichen Portion 80er Peinlichkeiten. Billy Zane mit Pferdeschwanz. Herrlich!“


Sonja Hartl von Zeilenkino beschert uns zwei interessante Buchtipps, die bei mir zumindest gleich auf der Wunschliste landen:
„Was bedeutet es, schwarz zu sein? In dem großartigen Roman „Americanah“ erzählt Chimamanda Ngozi Adichie von der Nigerianerin Ifemelu, die in die USA geht und dort zum ersten Mal erfährt, was es bedeutet, schwarz zu sein, in einer Welt, in der weiße Haut das Ideal und erstrebenswerte Ziel ist. In dem Moment, in dem sie in den USA ankommt, spürt sie, dass fortan nicht mehr wie in Nigeria die Klasse über ihr Fortkommen entscheidet, sondern die Rasse. Ifemelu – und mit ihr der Leser – erlebt die Allgegenwärtigkeit einer Hautfarbe, die jede Fremd- und bald auch schon Selbstwahrnehmung bestimmt – abhängig von dem Land und der Gesellschaft, in der man sich befindet.“


BILD DES TAGES
Aus dem Facebook-Universum von Erik Machens.




TWEET DES TAGES
"Mama, weißt du noch, wie der Wind den Kompass und das Kuscheltier aus unserem Schiff geweht hat, in meinem Traum?"

VIDEO DES TAGES


Gravity: A Falling Montage from Plot Point Productions on Vimeo.




KURZFILM DES TAGES


Gretel & Hanzel from Gianna Ruggiero on Vimeo.

Montag, 5. Mai 2014

Notizzettel #002



Es ist seit dem letzten Notizzettel viel zusammengekommen, darum hier ohne lange Vorrede die neusten Fundstücke, die ich euch ans Herz legen möchte.


Sam Adams von CriticWire ergänzt Matt Zoller Seitzs Tipps für Filmkritiker aus dem letzten Notizzettel: „Have a life. Watch as much as you can, and read as much as you can, and write as much as you can, and then stop: Take your significant other out to dinner, and talk about anything but movies; hang out with friends who don't know Siegfried Kracauer from Cap'n Crunch; take a walk around the block, at least.”


Rochus Wolff von Kino-Zeit erhellt uns mit einem aufschlussreichen Kommentar zu den Hintergründen der womöglich nie stattfindenden Kinoauswertung von Under the Skin, was unter Filmfreunden bekanntlich für einiges an Verstimmung gesorgt hat: „Schaut man dann in die Grundzüge des neuen ‚Strategiekonzeptes‘, das sich Senator verordnet hat, ist da neben der schon seit zwei Jahren laufenden Neuausrichtung auf Eigenproduktionen hin von ‚neuen Entscheidungsprozessen beim Lizenzerwerb‘ und einer ‚Optimierung des Marketings‘ die Rede, und Helge Sasse, Vorstandsvorsitzender der Senator Entertainment AG, wird mit den Worten zitiert: ‚Wir haben in den vergangenen Jahren schmerzhaft erfahren müssen, dass die hohen Lizenzkosten im internationalen Wettbewerb kein attraktives Chancen-Risiken-Verhältnis bieten.‘ Mit anderen Worten: Under the Skin, dessen Kinoauswertung auch in Aussagen des Verleihs bis vor kurzem noch beschlossene Sache schien, ist das erste prominente Opfer der Krise und Neuausrichtung von Senator.“


Das das Mainstreamkino die Menschheit in ihrer ganzen Fülle nicht abbildet, ist ja within bekannt. Tyler F. von SharcTank setzt sich mit den fünf nach seiner Definition dümmsten Argumenten auseinander, die einer ausgewogenen filmischen Darstellung in Geschlechterfragen entgegenstehen: „The idea that straight cis white guys don’t care much about representation in entertainment really isn’t surprising: most entertainment is catered to them. Even if they logically understand some of what oppression feels like (or have experienced some oppression themselves for some other reason), they’ll never know the full extent of what it feels like to deal with the media’s omnipresent male gaze on a daily basis.”


Am Beispiel von How I Met Your Mother versucht Michelle King von The Airship die Frage zu klären, wann es für TV-Serien besser wäre, ihr unvermeidliches Ende nicht länger hinauszuzögern: „The impetus for keeping these shows on the air is clear: Networks are making money, and, well, that's the job of a network. Still, it's a shame that networks remain more interested in appeasing advertisers than the lasting reputation of the shows it airs. Nielsen ratings hardly matter once a show ends, but a devoted fan base can help turn a show into a cult classic. Part of the beauty of the sitcom is that it's a simple formula, but that's often its downfall, as well. A simple formula (six young friends navigate their life in Manhattan, a man recounts his 20s by telling his children the story of how he met their mother, a look into the life of workers at a paper company) can exhaust itself quickly and become an uninspired, stale version of what it once was.”


Ein junges Elternpaar stellt mit ihrem Baby jede Woche eine Szene aus bekannten und weniger bekannten Werken der Filmgeschichte nach – mit jeder Menge Pappe und allem, was man sonst so im Haushalt findet. Eine hübsche Idee und ein gutes Bookmark für den kleinen Schmunzler zwischendurch.


„Das verbotene im Wandel der Zeit – vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ verspricht die Seite des nur online existierenden Zensurmuseums und auch wenn der Inhalt noch ausbaufähig ist, ist dies eine Webseite, die man im Auge behalten sollte.


Der liebevolle Monsterfilm Blutgletscher von Marvin Kren hat den Sprung von Österreich in die USA geschafft. Mir hat das Spektakel gut gefallen, Simon Abrams von RogerEbert.com leider nicht. So unterschiedlich können Sichtweisen dies- und jenseits des großen Teiches ausfallen: „It is not really about global warming, which is actually a thing, and deserves a good horror film. But the movie's not focused enough to be a good creature feature, and it's not involving enough to be viscerally upsetting. So while it should be fun and creepy, "Blood Glacier" is just kinda there.”


Meine Begeisterung für The Walking Dead, zumindest als TV-Serie, schwindet ja zusehends. Lange habe ich überlegt, ob ich einen Text darüber schreibe, was mir, gerade im Vergleich mit dem sehr viel besseren Comic, nicht gefällt. Aber warum, wenn Chauncey Devega in seinem Blog We Are Respectable Negroes bereits so vieles aufgezählt hat, was mich stört? Um die Frage hier kurz zu beantworten: Nein, böse rassistisch ist die Serie in meinen Augen nicht, dafür aber oft bemerkenswert gedankenlos. Was Devaga hier zusammenträgt, lässt sich nahtlos auf Staffel Drei übertragen (der Text stammt aus dem März 2012): „I am not particularly interested in if The Walking Dead TV series is "racist." Such a question is flat and uninteresting to me. Instead, I would offer the following intervention: how do we begin to think about The Walking Dead and its relationship to race and the reproduction of racial ideologies? How do we go about asking these types of questions? What is the process? This framing pushes us beyond simple "yes" or "no" answers, and by doing so, leads us to a terrain which is much more productive and rich.”


Der von mir sehr geschätzte Parodie-Rezensent Brad Jones aka The Cinema Snob hat gerade seine Sasquatch Week beendet. Das Gesamtergebnis war nicht ganz so zum brüllend komisch wie die E.T.-Woche vor einigen Jahren, aber gibt trotzdem einen interessanten Einblick in die Abgründe des wirklich schlechten Kinos. Die Filme in Einzelnen: der wirre Anthologiefilm Curse of Bigfoot, der Bigfoot-Porno (!) The Geek II, To Catch a Yeti, der als Hank, der freche Yeti als einziger Film auch in Deutschland aufgeführt wurde, der vollkommen sinnlose Black River Monster und der in den USA durchaus gut besprochene The Legend ofBoggy Creek.


BILD DES TAGES
Die Moloch-Miniatur aus dem unsterblichen Metropolis, fotografiert in der Langen Nacht der Museen in Düsseldorf in der für Filmnerds sehenswerten Ausstellung Visionen und Alpträume – Die Stadt der Zukunft im Film im NRW-Forum (noch bis zum 10. August 2014).



TWEET DES TAGES
„Gravity war der ödeste und mieseste Film im letzen Jahr!“

Sein Lieblingsfilm ist Sucker Punch



VIDEO DES TAGES (passend zur laufenden Bloggeraktion #MonsterMay)




KURZFILM DES TAGES


Robbie - A Short Film By Neil Harvey from Neil Harvey on Vimeo.