Donnerstag, 1. August 2013

Vergessene Medienperlen: Zwobot


Spartensender haben per Definition weniger Zuschauer als die „großen“ Sender. Und während diese auf Quotendruck (egal ob real oder selbst inszeniert) hin ein möglichst breites Publikum ansprechen müssen (was dem Programm nicht immer zuträglich ist – aber das ist eine ganz andere Geschichte), können Spartensender viel mehr „auf den Putz hauen“. Manchmal erlangen die dort ausgestrahlten Formate eine breitere Öffentlichkeit, weil sie einen Diskurs lostreten (man erinnere sich an die Diskussionen um Popetown auf MTV, die dem Sender ungewöhnlich hohe Quoten bescherte), manchmal werden die Protagonisten aus den kleinen televisionären Versuchslaboren gar vom „Mainstream“ eingekauft (Joko & Klaas). Und manchmal sind die Ergebnisse, die im Schutze der kleinflächigen Verbreitung entstehen, irgendwann nur noch einer eingeschworenen Fangemeinde bekannt, so wie die heutige vergessene Medienperle: die Off-Puppenshow Zwobot.

Zwobot war nicht nur der Titel der Sendung, sondern auch der Name des Moderators: dem Mikrofonschoner Zwobot, einem miesgelaunten Kerlchen mit Bassstimme. Am 14.01.2000 und danach immer Freitag abend lief die erste Folge auf dem zusammen mit Zwobot eingestellten Sender VIVA 2, der sich als „alternativer Musiksender“ begriff. Was man darunter im Kontext dieser Sendung zu verstehen hatte, dazu später mehr.

  (Bildquelle: die hervorragende Fanseite Zwobots Geist)

Neben Zwobot, der die Rahmenhandlung darstellte, gab es noch diverse andere Serien und Konzepte, denen allesamt gemein war, dass sie mit einem minimalen Aufwand produziert wurden. Eine alte Socke wurde zu Wah Wah Binx, sein Partner Kroko in der Reimen-und-Kotzen-Serie Kroko, übergeben Sie! eine aus dem Kasperletheater bekannte Handpuppe. Das gleiche galt für den Protagonisten aus Schießen Sie auf den Pianisten vom Planet der Affen. Ein deprimiertes Schaumstoffmännchen unterhielt sich mit seinem sarkastischen Tagebuch in Seattle Jörg. Kraku und Net Net waren zwei weitere billige Handpuppen, deren Dialoge nie zu verstehen waren. Im Mediapark brachten zwei Schaumstoffwesen dem Zuschauer die tieferen Bedeutungen des Lebens nahe („Mann. Frau und die Kokosnuß.“) Und Mr. Explosion jagte Clips aus Filmen und TV-Serien in die Luft. Hinzu kamen frühere Formate wie Prinzessin Nichtgesicht und die Nachfolgereihe Die schwarze Hütte, geradezu kafkaeske Fieberträume im Puppenformat.








Das geschätzte Budget für eine Folge mag 20 € für die Verpflegung der Puppenspieler betragen haben, wenn sie sich keine Butterbrote von zuhause mitgebracht haben. Zwobot war keine Low-Budget-Sendung, es war eher No-Budget. Und nicht nur, dass man der Sendung diesen Umstand ansah, er wurde zunehmend Teil des Konzepts. Zwobot war eine sehr selbstreflexive Serie, die Figuren wussten um ihren eigenen Trashfaktor und so wurde das Projekt auch nie ambitionierter, als es sein musste. Es war nie mehr als Nerds mit Puppen, die ihren Geschöpfen aber manch klugen Kommentar in die fusseligen Münder legten. In erster Linie war Zwobot Trash um des Trashs willen, oftmals völlig sinnlos, völlig durchgeknallt, wie das abgefilmte Ergebnis einer durchzechten Nacht. Jeder, der schon einmal mit den „brillanten Ideen“ eines Betrunkenen konfrontiert war, weiß, wie Dinge entstehen, die in Zwobot gezeigt wurden. Der Unterschied: die Macher waren nüchtern (das unterstelle ich einfach mal) und bringen all den Klamauk trotzdem ungefiltert auf Band. Zwobot war sich für nichts zu schade und gerade in der völligen Verweigerung irgendeiner Relevanz (auch wenn man dies in einigen Folgen diskutieren kann) oder eines konsensfähigen Ästhetik- und Humorempfindens liegt die große Kraft dieser Sendung. Sie existierte nur aus sich selbst heraus und versuchte gar nicht erst, das Fernsehen „auf eine neue Stufe“ zu heben. Das aufwendigste in der gesamten Laufzeit war der an Herr der Ringe-angelegte Vorspann Die Zwobot Show ist toll.



Das Konzept der Trash- und Nerdliebe setzte sich auch in den zwischen den „Sketchen“ eingespielten Musikvideos fort. Meistens gab es ein Retrovideo aus den 80ern und früher 90ern (z.B. Smalltown Boy von Bronski Beat), ansonsten Videos und Songs, die es im regulären Programm eines Musiksenders eher schwer gehabt hätten. Zwobot war somit auch ein Reservat für Off-Musik und Off-Videos. Hier zwei Beispiele, das erste passenderweise auch aus der Zwobot-Show aufgezeichnet. Ich vermute, es war das erste und einzige Mal, dass dieses Video im Programm zu sehen war.





Am 14.12.2001 lief die letze reguläre Zwobot-Sendung über den Äther. Zwobot verabschiedete sich und als Dreingabe gab es ein melancholisches Abschiedsvideo der Zwobot Allstars.


Das allerletzte Mal Zwobot on air gab es am 28.12.2001 mit 24 Stunden Best Of aus der anarchistischen Puppensendung. Es dürfte kein Zufall sein, dass kurz vor dem Schluss Monty Python Alwayd look on the bright side of life sang. Zum einen als Gruß an die Fans im Sinne von „Kopf hoch“, zum anderen als Beweis dafür, dass Nonsens immer seinen Platz finden wird. Am 07.01.2002 stellte auch VIVA 2 endgültig den Sendebetrieb ein. Damit verschwand auch Zwobot von den Bildschirmen, aber die vergleichsweise zahlreich im Internet zu findenden Clips (viele mit dem Charme einer digitalisierten Videoaufnahme) beweisen, dass der tollste Mikrofonschoner des deutschen Fernsehens nicht komplett vergessen ist, außer vielleicht vom TV-Mainstream. Aber da gehörte Zwobot sowieso nie hin.