Unterhaltungsliteratur,
insbesondere die US-amerikanische, ist meistens bereits auf die spätere
Verfilmung hin ausgelegt. In gewisser Missachtung der medialen Unterschiede
wird mit Kapiteln gearbeitet, die wie Plansequenzen aufgebaut sind, mit
oberflächlichen Formulierungen, die sich wie Regieanweisungen lesen und
Charaktersierungen, die sich nahtlos in eine gängige 2-Stunden-Narrative
einfügen. Der Science-Fiction-Bestseller Der
Marisaner von Andy Weir macht da keine Ausnahme. Es ist gefällig, was man
auf den knapp über 500 Seiten geboten bekommt, durchaus unterhaltsam zu lesen,
aber letztlich so flach, dass es der Prämisse des Romans auf groteske Weise
nicht gerecht wird.
Denn: Mark
Watney, der Protagonist, überlebt einen Unfall bei einer bemannten Marsmission,
seine Crew flieht vom roten Planeten und lässt den für tot gehaltenen Botaniker
zurück. Dieser muss fortan auf sich allein gestellt in einer Umwelt überleben,
die Leben, insbesondere menschliches, eigentlich nicht unterstützen kann.
Dieser
Ausgangspunkt schreit ja förmlich danach, sich mit den Herausforderungen der
Isolation auseinanderzusetzen, was der abrupte Abbruch zu jedem menschlichen
Kontakt mit dem unfreiwilligen Robinson Crusoe anstellt, wie er mit dieser
Situation umgeht. Ja, man erfährt durchaus, wie Watney mit seinem Leben auf dem
Mars zurechtkommt, allerdings fast ausschließlich auf einem technischen Level.
Es wird viel gerechnet in Der Marsianer
und das hat selbstredend seine Berechtigung, aber Weir verharrt an diesem
Punkt. Wann immer er zaghaft versucht, Watney seine Gefühle beschreiben zu
lassen, scheitert er bzw. flüchtet sich schnell in launige Gags.
Der Marsianer ist ein humorvolles Buch,
sehr viel mehr, als ihm guttut. Ständig werden Situationen ironisch gebrochen,
Watney wird passenderweise als Alleinunterhalter der Mannschaft
charakterisiert, der auch dann noch weitermacht, wenn er mutterseelenallein auf
einem anderen Planeten festsitzt. Weir nimmt nichts ernst, weder seine Prämisse
und schon gar nicht seine Hauptfigur. Will man einen Roman über einen in Agonie
versunkenen Einsiedler lesen? Nein, aber die völlige Verweigerung von jeglicher
Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen (Watney ist augenscheinlich Weirs
Alter Ego) hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Der Marsianer ist viel zu ironisch, zu sehr „tongue-in-cheek“,
worunter letztlich die Spannungskurve leidet. Zwar geht einiges schief, aber
dank unglücklichem „foreshadowing“ (Stichwort Wohnkuppelplane an der
Luftschleuse) und dem Verpuffen dramatischer Effekte (z.B. der Sandsturm auf
dem Weg zum MRM) hält sich die Spannung in Grenzen. Nie hat man das Gefühl,
dass Watney wirklich auf dem Mars sterben könnte, die Möglichkeit ergibt sich
aus dem sorglosen Ton überhaupt nicht.
Der Roman ist
flüssig geschrieben, ohne Frage. Wie erwähnt wirkt er oft wie sein eigenes
Drehbuch, aber das muss man bei einem Bestseller in diesem Segment wohl in Kauf
nehmen. Watneys Bastelleien sind interessant, manche Situationen sind in ihrem
dramaturgischen Aufbau gar hervorragend. Am Ende fehlt aber die emotionale
Tiefe, die Raffinesse, um aus der Geschichte eines gestrandeten Astronauten
einen wahrlich großen Roman zu machen. Der
Marsianer ist leicht goutierbare, oft frustrierend oberflächliche
Unterhaltung, in der so viel mehr Potenzial steckt als Weir ihr zutraut.
Letztlich unterfordert er so auch den Leser, der vielleicht mehr lesen möchte
als eine Überlebens-Machbarkeitsstudie mit gelegentlichen Gags über Discomusik,
70er-Jahre-TV und schwule Sonden. Der Clown verliert hier nie seine Maske, weil Weir sich offensichtlich gar
nicht vorstellen kann, dass dahinter etwas anderes stecken könnte. Und so
lernen wir: das Stranden auf dem Mars ist im Grunde gar nicht so die große
Sache. Ziemlich dürftig für einen Roman mit solch einer vielversprechenden
Grundidee.
Jetzt musste ich lachen: Mein zweitliebstes Buch handelt von einem "in Agonie versunkenen Einsiedler". Dann ist dieses hier wohl nichts für mich. :D
AntwortenLöschenAber gerne mehr Buchbesprechungen, bitte.
Ja, dass hätte ich wohl besser ausdrücken können. Eher dahingehend, dass mehr Agonie dem Buch gut getan hätte. :-D
LöschenMehr Buchbesprechungen? Ich werde mich bemühen. :-)
Bin gespannt auf den Film. In meiner Kinogängerrunde kursiert ja der Witz, das der Film die Fortsetzung von "Interstellar" ist, weil Matt Damon da ja auch auf einem Planeten zurück gelassen wurde. ;)
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