Freitag, 7. August 2015

Buchbesprechung: Der Marsianer (Andy Weir, 2011/2014)




Unterhaltungsliteratur, insbesondere die US-amerikanische, ist meistens bereits auf die spätere Verfilmung hin ausgelegt. In gewisser Missachtung der medialen Unterschiede wird mit Kapiteln gearbeitet, die wie Plansequenzen aufgebaut sind, mit oberflächlichen Formulierungen, die sich wie Regieanweisungen lesen und Charaktersierungen, die sich nahtlos in eine gängige 2-Stunden-Narrative einfügen. Der Science-Fiction-Bestseller Der Marisaner von Andy Weir macht da keine Ausnahme. Es ist gefällig, was man auf den knapp über 500 Seiten geboten bekommt, durchaus unterhaltsam zu lesen, aber letztlich so flach, dass es der Prämisse des Romans auf groteske Weise nicht gerecht wird.

Denn: Mark Watney, der Protagonist, überlebt einen Unfall bei einer bemannten Marsmission, seine Crew flieht vom roten Planeten und lässt den für tot gehaltenen Botaniker zurück. Dieser muss fortan auf sich allein gestellt in einer Umwelt überleben, die Leben, insbesondere menschliches, eigentlich nicht unterstützen kann.

Dieser Ausgangspunkt schreit ja förmlich danach, sich mit den Herausforderungen der Isolation auseinanderzusetzen, was der abrupte Abbruch zu jedem menschlichen Kontakt mit dem unfreiwilligen Robinson Crusoe anstellt, wie er mit dieser Situation umgeht. Ja, man erfährt durchaus, wie Watney mit seinem Leben auf dem Mars zurechtkommt, allerdings fast ausschließlich auf einem technischen Level. Es wird viel gerechnet in Der Marsianer und das hat selbstredend seine Berechtigung, aber Weir verharrt an diesem Punkt. Wann immer er zaghaft versucht, Watney seine Gefühle beschreiben zu lassen, scheitert er bzw. flüchtet sich schnell in launige Gags.

Der Marsianer ist ein humorvolles Buch, sehr viel mehr, als ihm guttut. Ständig werden Situationen ironisch gebrochen, Watney wird passenderweise als Alleinunterhalter der Mannschaft charakterisiert, der auch dann noch weitermacht, wenn er mutterseelenallein auf einem anderen Planeten festsitzt. Weir nimmt nichts ernst, weder seine Prämisse und schon gar nicht seine Hauptfigur. Will man einen Roman über einen in Agonie versunkenen Einsiedler lesen? Nein, aber die völlige Verweigerung von jeglicher Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen (Watney ist augenscheinlich Weirs Alter Ego) hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Der Marsianer ist viel zu ironisch, zu sehr „tongue-in-cheek“, worunter letztlich die Spannungskurve leidet. Zwar geht einiges schief, aber dank unglücklichem „foreshadowing“ (Stichwort Wohnkuppelplane an der Luftschleuse) und dem Verpuffen dramatischer Effekte (z.B. der Sandsturm auf dem Weg zum MRM) hält sich die Spannung in Grenzen. Nie hat man das Gefühl, dass Watney wirklich auf dem Mars sterben könnte, die Möglichkeit ergibt sich aus dem sorglosen Ton überhaupt nicht.

Der Roman ist flüssig geschrieben, ohne Frage. Wie erwähnt wirkt er oft wie sein eigenes Drehbuch, aber das muss man bei einem Bestseller in diesem Segment wohl in Kauf nehmen. Watneys Bastelleien sind interessant, manche Situationen sind in ihrem dramaturgischen Aufbau gar hervorragend. Am Ende fehlt aber die emotionale Tiefe, die Raffinesse, um aus der Geschichte eines gestrandeten Astronauten einen wahrlich großen Roman zu machen. Der Marsianer ist leicht goutierbare, oft frustrierend oberflächliche Unterhaltung, in der so viel mehr Potenzial steckt als Weir ihr zutraut. Letztlich unterfordert er so auch den Leser, der vielleicht mehr lesen möchte als eine Überlebens-Machbarkeitsstudie mit gelegentlichen Gags über Discomusik, 70er-Jahre-TV und schwule Sonden. Der Clown verliert hier nie seine  Maske, weil Weir sich offensichtlich gar nicht vorstellen kann, dass dahinter etwas anderes stecken könnte. Und so lernen wir: das Stranden auf dem Mars ist im Grunde gar nicht so die große Sache. Ziemlich dürftig für einen Roman mit solch einer vielversprechenden Grundidee.

3 Kommentare:

  1. Jetzt musste ich lachen: Mein zweitliebstes Buch handelt von einem "in Agonie versunkenen Einsiedler". Dann ist dieses hier wohl nichts für mich. :D
    Aber gerne mehr Buchbesprechungen, bitte.

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    1. Ja, dass hätte ich wohl besser ausdrücken können. Eher dahingehend, dass mehr Agonie dem Buch gut getan hätte. :-D

      Mehr Buchbesprechungen? Ich werde mich bemühen. :-)

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  2. Bin gespannt auf den Film. In meiner Kinogängerrunde kursiert ja der Witz, das der Film die Fortsetzung von "Interstellar" ist, weil Matt Damon da ja auch auf einem Planeten zurück gelassen wurde. ;)

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