Alien Nation
könnte man auch „Das Konzept, dass nicht sterben wollte“ nennen. Angefangen hat
alles 1988 mit einem Kinofilm, der in Deutschland unter dem zeitlosen Titel Spacecop L.A. 1991 veröffentlicht wurde.
Die Prämisse ist großartig: ein Raumschiff mit 250.000
Außerirdischen strandet auf der Erde und ist danach funktionsuntüchtig. Die
Aliens sind keine unförmigen Schleimwesen, sondern äußerlich recht
menschenähnlich und werden in die irdische (sprich: US-amerikanische)
Gesellschaft eingegliedert. Doch das Zusammenleben zwischen Menschen und den
Tenctonen, den sogenannten Newcomern, gestaltet sich oftmals als nicht wirklich
frei von Vorurteilen.
So weit, so gut. Dumm nur, dass der Film lieber auf der hard boiled Actionwelle der 1980er Jahre mitsurfen wollte und aus der Ausgangssituation sehr wenig machte. Als Beweisstück A lege ich mal den originalen Trailer vor. RoboCop und Co. lassen grüßen.
So fiel der Film dann auch bei der Kritik durch. Momentan
hält er 56% auf Rottentomatoes und die Zusammenfassung bringt es ganz gut auf
den Punkt:
„Alien Nation takes the interesting premise of extraterrestrials
living among us and doesn't do enough with it, emphasizing a police procedural
plotline over the more intriguing sci-fi elements.“[1]
Nun könnte das Kapitel Alien
Nation ganz schnell wieder geschlossen werden, wenn nicht irgendjemand das
Potenzial der zugrundeliegenden Idee erkannt hätte. Kenneth Johnson, der
bereits den unglaublichen Hulk und V –
Die außerirdischen Besucher kommen auf die Fernsehbildschirme gebracht
hatte, wurde angefragt und so entwickelte er Alien Nation – Die Serie, die 1989 in den USA auf Sendung ging.
Da das Geld beim Fernsehen nicht so üppig vorhanden ist wie bei prestigeträchtigen Kinofilmen waren aufwendige Actionplots von vornherein passé (der einzige Versuch in diese Richtung, Folge 5, The Takeover, ist dann auch einer der Tiefpunkte der Serie) und man konnte sich eher auf den sozialen Aspekt konzentrieren und natürlich auf die wachsende Freundschaft zwischen dem menschlichen Polizisten Matthew Sikes und seinem Newcomer-Partner George Francisco. Und siehe da, das Unterfangen wurde ein Erfolg. Alien Nation macht beinahe sofort süchtig nach mehr, was neben den hervorragenden Darstellern vor allem den großartigen Drehbüchern geschuldet ist. Beispielsweise gibt es gleich im Pilotfilm eine Szene, die das immer wieder zu lösende Dilemma gut illustriert. Dazu sollte man noch wissen, dass die Tenctonen als Sklaven gezüchtet wurden und auf der Erde erstmals Bürgerrechte bekommen. Und Menschen wären nicht Menschen, wenn sich nicht auch eine rechte Opposition, hier „Puristen“ geannt, formieren würde.
Da das Geld beim Fernsehen nicht so üppig vorhanden ist wie bei prestigeträchtigen Kinofilmen waren aufwendige Actionplots von vornherein passé (der einzige Versuch in diese Richtung, Folge 5, The Takeover, ist dann auch einer der Tiefpunkte der Serie) und man konnte sich eher auf den sozialen Aspekt konzentrieren und natürlich auf die wachsende Freundschaft zwischen dem menschlichen Polizisten Matthew Sikes und seinem Newcomer-Partner George Francisco. Und siehe da, das Unterfangen wurde ein Erfolg. Alien Nation macht beinahe sofort süchtig nach mehr, was neben den hervorragenden Darstellern vor allem den großartigen Drehbüchern geschuldet ist. Beispielsweise gibt es gleich im Pilotfilm eine Szene, die das immer wieder zu lösende Dilemma gut illustriert. Dazu sollte man noch wissen, dass die Tenctonen als Sklaven gezüchtet wurden und auf der Erde erstmals Bürgerrechte bekommen. Und Menschen wären nicht Menschen, wenn sich nicht auch eine rechte Opposition, hier „Puristen“ geannt, formieren würde.
Wer nun meint, Alien
Nation würde ein einseitiges Bild vom guten Alien und bösem Menschen
zeichnen, sieht sich getäuscht. Nicht nur sehen wir menschliche „Puristen“
jeglicher Ethnie in der Serie, auch auf der tenctonischen Seite gibt es
Ablehnung, Hass und Bigotterie. Alien
Nation erlaubt sich, differenziert zu sein und wahrscheinlich ist es gerade
dieses Element, das die Serie so interessant macht. Neben den unterhaltsamen
Kriminalfällen lernen wir fast jedes Mal nicht nur etwas über die außerirdische
Gesellschaft, sondern auch über den Status unserer eigenen.
So schenkte FOX der Welt 22 meistens großartige Folgen einer
wahrlich ungewöhnlichen Serie, die mit den Bildern einer Alien-Geburt ein
kleines bisschen Fernsehgeschichte geschrieben hat – schon allein durch die
Tatsache, dass ein männlich kodifizierter Newcomer, unser Protagonist George,
das Baby zur Welt bringt. Ein Fest für jeden Gender Studies-Interessierten.
Schließlich leistete man sich etwas, dass in jenen
Fernsehtagen nicht Gang und Gebe war: einen Cliffhanger. Die letzte Episode der
ersten Staffel machte unglaublich viele Fässer auf, am Ende stand das Überleben
der gesamten Spezies der Newcomer auf dem Spiel.
Und dann kam die Absetzung.
Trotz guter Quoten konnte und wollte FOX die Serie aus
finanziellen Gründen nicht weiterführen und trug so eins der besten SF-TV-Konzepte
aller Zeiten zu Grabe. Doch man hatte nicht mit den Fans gerechnet, die ihre
Serie verständlicherweise liebten und zumindest um eine Auflösung des
Cliffhangers baten. Dies geschah in Form von Romanen und Comics, bis man vier
Jahre nach der letzten Episode und einem Managementwechsel bei FOX Sikes und
Francisco samt Familie wieder auf dem Bildschirm bewundern konnte: der TV-Film Dark Horizon wurde ausgestrahlt. Die
wichtigsten (nicht alle) losen Enden aus der Serie wurden zu Ende gebracht und
die gesamte Besetzung war wieder in ihren angestammten Rollen zu sehen.
Irritierend war nur, dass Lauren Woodland, die Georges Tochter Emily spielt, in
der Zeit zwischen 1990 und 1994 natürlich erheblich gewachsen war…
Sieht man den ersten TV-Film zeitnah nach dem Genuss der
Serie halten sich Enttäuschung und Freude die Waage. Letzteres, weil man
überhaupt wieder in die Welt der Tenctonen zurückkehren kann, Ersteres weil Dark Horizons im Vergleich zur Serie
deutlich abfällt. Man spürt, dass der Plot, der hier in 90 Minuten
durchgespielt wird, in Wirklichkeit für mindestens eine halbe Staffel Stoff
geboten hätte. Dementsprechend schnell ist manches zu Ende, während anderes gar
nicht erst wieder aufgenommen wird (Bucks Liebe zu einer Menschenfrau
beispielsweise). Und wieder andere Elemente verschwinden einfach – Georges zweite
Tochter Vessna wird zunehmend in den Hintergrund und schließlich ganz heraus
geschrieben.
Nach Dark Horizons
folgten vier weitere TV-Filme recht unterschiedlicher Qualität: Body and Soul, Millenium, The Enemy Within
und The Udara-Legacy. Es gab
altbackende Horrorplots, sinnvolle Fortsetzungen von Serien-Prämissen und neue
Charakteraspekte zu begutachten. Die großartige Terri Treas war während der
Dreharbeiten vor allem zum letzten Film hochschwanger und wurde überdeutlich im
Hintergrund gehalten und so konnte die Beziehung zwischen ihrer Figur und Sikes
nicht zufriedenstellend zu Ende gebracht werden, über Vessna habe ich bereits
geschrieben und Bucks soziale Entwicklung schien in den Filmen wieder rückwärts
zu laufen. Trotzdem hat es etwas bittersüßes, The Udara-Legacy zu sehen, denn damit endete 1997 die Odyssee von Alien Nation endgültig. Man wird das
Gefühl nicht los, dass dem Konzept als TV-Serie besser gedient gewesen wäre als
durch die Filme, aber dies gehört zu den Dingen, über die man nur spekulieren
kann.
Alien Nation wurde
in Deutschland ab Januar 1991 auf SAT.1 um 23 Uhr im Programm versteckt und bis
heute nur einmal im Free-TV 1996 auf KABEL EINS wiederholt.[2]
Die TV-Filme gibt es in deutscher Synchro noch gebraucht auf VHS zu bekommen, The Udara Legacy sogar auf DVD; der
Kinofilm wurde gerade sogar neu für den DVD-Markt aufgelegt. Für die Serie muss
man auf die US-Veröffentlichung zurückgreifen, was in meinen Augen nicht
schlimm ist, weil man so die miese Synchronisation umgeht. Auch die TV-Filme
gibt es als schön anzusehende Gesamtbox (mir hat Ebay hier sehr weitergeholfen).
Alien
Nation ist also verfügbar, aber kaum gesehen, zumindest in Deutschland.
Eine Schande, denn nochmals: diese Serie gehört zum Besten, was die
TV-Science-fiction je hervorgebracht hat. Vielleicht bekommt der ein oder
andere dank dieses Vergessene
Medienperlen-Auftakts Lust, sie für sich (neu) zu entdecken. Wünschenswert
wäre es, denn auch über zwanzig Jahre nach seiner „Geburt“ hat das Konzept
nichts an Aktualität eingebüßt. Alien
Nation sagt heute noch genauso viel Wahres über unsere Gesellschaft aus wie
1989. Ob dies traurig oder interessant ist, steht natürlich auf einem anderen
Blatt.