BLOODLINE
(Staffel 1)
Vom Duktus und
auch ein bisschen von der Intention erinnert die Netflix-Serie Bloodline an Rectify, ohne deren Größe und Konzentration zu erreichen. Der
Geschichte um eine Familie, deren ältester Sohn nach langer Zeit wieder nach Hause
zurückkehrt und eine ganze Kaskade von Ereignissen in Gang setzt, die sich alle
auf die schmerzvolle Familiengeschichte zurückführen lassen, hätten zum einen
weniger Episoden gut getan. Straffung ist nicht gerade Bloodlines Sache, man kann zwischendurch auch mal zwanzig Minuten
die Gedanken schweifen lassen und verpasst nichts, was für die Handlung oder
die Charakterentwicklung nötig wäre (etwas, dass bei Rectify nicht möglich gewesen wäre). Es gibt natürlich großartige
Charaktermomente, Handlungen der Figuren sind nicht immer vorhersehbar, der
Vorspann für sich ist schon ein kleines Highlight, die Schauspieler sind
teilweise von hypnotischer Größe, insbesondere Ben Mendelsohn. Dennoch
verwechselt die Serie zu oft eine ruhige Inszenierung mit einer schleppenden,
eben weil man die Charaktere nicht entwickelt. Am Ende kennt man mehr
Geheimnisse, aber in ihrem Wesen sind die allermeisten Figuren zum Schluss der
Staffel nicht sonderlich weiter als zu Beginn. Es drängt sich des Öfteren auf, ob
es Bloodline nicht besser zu Gesicht
gestanden hätte, als zehnteilige Miniserie zu existieren, anstatt nun auch noch
eine zweite Staffel nachzuschieben. Denn dies hätte den „Zwang“ zu einer
durchdachteren Inszenierung mit sich gebracht und Bloodline wahrscheinlich konzentrierter daherkommen lassen. Es gibt
Spielfilme, die in unter zwei Stunden mehr über Schuld, Sühne und dunkle
Familiengeheimnisse erzählen als diese Serie mit über 13 Stunden Laufzeit.
2.5/4
FEAR THE WALKING
DEAD (Staffel 1)
Ach, du meine
Güte. Was soll man dazu bloß sagen? Im Selbstverständnis (und nach den
Medienbuzz wahrscheinlich gar nicht so unberechtigt) eine der wichtigsten und
meisterwartesten Serien des Jahres ist Fear
the Walking Dead eine einzige Schau der verpassten Möglichkeiten, eine Beleidigung
des Franchises, dass mit einer durchdachten Comicserie begann und in Form
seiner TV-Adaption inzwischen eine Quelle ewigen Kopfschüttelns ist. Fear the Walking Dead will die
Vorgeschichte jener vollendeten Apokalypse zeigen, der die Figuren in der Mutterserie
gegenüberstehen und schafft es, einen Zombie-Outbreak langweilig zu machen.
Dabei ist es gar nicht der vergleichsweise niedrige Actiongehalt, der sauer
aufstößt (dass dies kein Nachteil ist, hat unlängst der Spielfilm Maggie eindrucksvoll bewiesen), sondern
die völlig hohl und uninteressant geschriebenen Charaktere, denen zu folgen
keine Freunde bereitet. Es ist schlicht egal, wer lebt, wer stirbt, wer in
Gefahr gerät, die Protagonisten sind derartig farblos, dass man sie manchmal
schon vergisst, während sie sich noch durch ihre Szenen lavieren. Bei aller
Kritik an The Walking Dead schafft es
die Hauptserie immerhin, öfters selbst Interesse an kleinen Nebenfiguren zu
generieren. Die einzigen Protagonisten, deren Schicksal mich persönlich
interessiert hätte, wäre die freundliche Familie von nebenan gewesen, die ein
Fest für ihre Tochter vorbereitet – und die hat keine fünf Minuten Screentime
in denen sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlenden sechs Folgen. So ist Fear the Walking Dead wie ein Worst-Of
der Hauptserie komplett mit Langeweile, dummen Figuren (Die Militärs! Die
Militärs!) die sich blöd verhalten und einem emotionalen Vakuum, dass
erschreckend ist. Wir sollen den Untergang der Zivilisation durch die
Charaktere nachvollziehen können, dies gelingt nur in einigen wenigen, kurzen
Szenen. Fear the Walking Dead ist
leidenschaftslos, hochwertig produziert, aber ohne Seele. Die 30-sekündigen
Trailer waren spannender als alles, was diese lieblos zusammengeschusterte
Zweitverwertung zu bieten hat. Gratulation, Fear
the Walking Dead, du hast es geschafft, eins der uninteressantesten
Zombie-Medienprodukte aller Zeiten zu sein. Auch eine Leistung – irgendwie.
1.5/4
GAME OF THRONES
(Staffel 5)
Um es kurz zu
machen: es hat sich kaum etwas gegenüber der vierten Staffel verändert. Das
Produktionsniveau ist hoch, Tyrion ist großartig, es gibt genügend
WTF?-Momente, einzelne Handlungsstränge weisen endlich konkreter in die Zukunft,
der Zuschauer wird weiterhin mit nackten sowie zerstörten Körpern geködert. Game of Thrones ist wie gehabt
Eskapismus pur, die politischen Implikationen werden allerdings gefühlt immer
weniger. Ach, und das Ende kann doch niemand für voll nehmen, oder? Da gibt es
doch so eine gewisse Hexe …
3/4
HOUSE OF CARDS
(Staffel 1 & 2)
House of Cards oder auch „Politikverdrossenheit
– Die Serie“.
In einer Welt, in
der die Menschen im Westen immer mehr den Glauben an die politische
Partizipation verlieren ist diese hochgefeierte Serie natürlich genau das
Richtige auf deren Mühlen. Korruption in der Politik soll selbstredend
thematisiert werden, schließlich gehört dieses Topos nicht erst seit den Zeiten
von „New Hollywood“ zum erzählerischen Standardrepertoire. House of Cards beherrscht zudem die Mittel der Manipulation, indem
sich der Zuschauer immer wieder dabei ertappt, dass er die Daumen für
Hauptfigur Underwood drückt, obwohl er der Antiheld par excellence ist.
Underwood ist, wie seine Frau, ein Soziopath, ein Manipulator auf höchster
Ebene, dem seine Karriere über alles geht. Dabei ist es bei Kevin Spaceys
durchgängiger Interpretation erstaunlich, dass niemand, der ihn wählt, seiner
Kälte gewahr wird (auf Wahlveranstaltungen gibt sich Underwood auch nicht
anders als hinter verschlossenen Türen) und trotz der stimmigen Atmosphäre, der
guten Kameraarbeit und den gekonnt auf Spannung getrimmten Drehbüchern fehlt
der Serie etwas. Allen voran ist es ein/e GegenspielerIn, der/die Underwood
nicht nur ebenbürtig ist, sondern der oder die auch nicht so schnell aus dem
Weg geräumt werden kann. Denn es läuft alles viel zu glatt, zu geschmeidig ab,
gerade beim beliebten binge-watching
wird gewahr, wie wenig Gegenwehr Underwood auszustehen hat, trotz kleinere
Cliffhanger. Er erscheint wie der einzig wirklich Intelligente im Ensemble,
niemand kann ihm etwas entgegensetzen. Dieses Muster wird schnell durchschaubar
und birgt jenen potenziell gefährlichen Kern, der die Frustrierten nur in ihrer
Weltsicht bestätigt: man kann ja doch nichts ändern. House of Cards ist wie die langgestreckte Variante von George
Clooneys durchdachteren Film The Ides of
March, dem Zeugnis politischer Enttäuschung, dass sich aber differenzierter
mit Ursachen, Zwängen und Wirkmechanismen auseinandersetzte. In den ersten
beiden Staffeln spielt House of Cards
frustrierend beständig denen in die Hände, für die Politiker per se alle Frank
Underwoods sind. Es wird Zeit, dass sich die Serie um mehr Differenziertheit
bemüht, sonst kann selbst die solide Inszenierung diesen Reigen nicht retten.
2.5/4
DIE LANGEN GROßEN
FERIEN (Komplette Serie)
Ja, ich weiß, ich
kritisiere viel. Das kommt wohl davon, wenn man viel sieht. Darum ist es immer
ein besonderes Highlight, wenn man etwas entdeckt, dass so nahezu perfekt ist,
dass man vor Freude weinen möchte. Gut, in der französischen Zeichentrickserie Die langen großen Ferien gibt es auch
sonst einiges zum weinen, aber das nur am Rande.
Die Geschichte
eines Geschwisterpaares, dass die Jahre 1939 bis 1945 bei ihren Großeltern in
der Normandie verbringt und dort mit all den Auswirkungen des tobenden
Weltkrieges und der deutschen Besatzung konfrontiert werden, ist auf so vielen
Ebenen grandios, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Da wären zum
einen die technische Seiten, die gelungene Animation und die hübschen Layouts,
aber noch mehr punktet die Serie durch ihren Inhalt und ihre Handhabung. Wenn
man je von etwas gesprochen hat, dass für die gesamte Familie geeignet ist,
dann ist es diese Serie. Erwachsene werden ebenso ergriffen wie ihre Kinder
gerecht, aber in keinster Weise beschönigend, dieses grausame Kapitel der
Menschheitsgeschichte vermittelt bekommen.
Menschen sterben
in Die langen großen Ferien, nicht
nur gesichtslose Platzhalter, sondern Protagonisten, niedliche Tierfiguren
fallen hungrigen Nazis oder Bomben anheim, Okkupation und Deportation werden
ebenso thematisiert wie kalter Opportunismus auf Seiten der Franzosen und
Zweifel am Nationalsozialismus auf Seiten der Deutschen. Es ist die emotionale
Bandbreite und Tiefe, die die Serie in gerade einmal zehn Folgen á 25 Minuten
erreicht, die beeindruckt. Die langen
großen Ferien ist spannend (auch für Erwachsene, falls immer noch jemand
daran zweifelt), involvierend, wunderschön und todtraurig zugleich, didaktisch
ohne schulmeisterlich zu wirken. Die Europäer schielen immer in die USA, wenn
es um Quality-TV geht. Dabei zeigt
diese kleine und doch so unendlich große Trickserie, dass dies nicht nötig ist:
die Qualität ist längst da und sie ist beeindruckender als ganze Zyklen
„echter“ Serien.
4/4
LILYHAMMER
(Staffel 3)
Es ist vorbei.
Zum Glück, möchte man sagen. Das etwas unerwartete Aus für die in Kooperation
von Netflix und dem norwegischen Hauptsender NRK entstandene Serie sorgt zwar
für kein definitives Ende (es gibt genügend Stränge, die auf eine vierte Staffel
verweisen), aber nachdem sich Lilyhammer
auch in der dritten Runde nicht fangen konnte war es wohl nur konsequent, den
Stecker zu ziehen.
Nach der durchaus
unterhaltsamen ersten Staffel baute die Geschichte des Mafiosi Johnny in
Norwegen und seinen kruden Geschäften in der zweiten Season deutlich ab und
auch der dritte Anlauf setzt die Fehler weiter fort. Unkonzentrierte
Sprunghaftigkeit, enervierende Charaktere (warum, oh warum nur, musste man Jan
wiederbringen?), fahrige Inszenierung. Von einigen Highlights des schwarzen
Humors abgesehen (Stichwort Leuchtrakete) ist Lilyhammer auch in der dritte Staffel eher ein leidlich
interessanter Lückenfüller denn eins der TV-Highlights, das den Machern
sicherlich vorschwebte. Das Produktionsniveau ist hoch, der Inhalt belanglos
und viel öfter, als es der Serie gut tut, langweilig. Hoffentlich kommt kein
anderer Sender auf die Idee, Lilyhammer
zu retten.
2/4
THE 100 (Staffel
1)
Nun gut, was soll
man sagen? Eine weitere vom US-Sender The CW produzierte Lackserie mit einer
Armada von pretty faces und einer
Hochglanzoptik, in der selbst Verletzungen sexy sind. The 100 ist Fernsehen wie ein Verkehrsunfall: man will nicht
hinsehen, tut es doch und büßt dabei einen kleinen Teil seiner Würde ein. Denn
die Story über eine durch einen Atomkrieg verwüstete Erde, auf die von der
letzten Bastion der Menschheit, der Raumstation Ark, jugendliche Delinquenten
geschickt werden um kostengünstig herauszufinden, ob der Planet wieder
bewohnbar ist, drückt ganz primitive Knöpfe:
Malen-nach-Zahlen-Charakterisierung, eine ebensolche Dramaturgie, plumpe
Cliffhanger. Dabei versucht sich die Serie an gesellschaftlichen Kommentaren,
etwa zur Folterproblematik, ohne dass diese Gewicht hätten.
Und wie könnten
sie auch, The 100 ist eine
Teenieserie (was nicht einmal etwas mit dem Alter der Figuren zu tun hat), die
ihr Publikum konstant für dümmer hält, als es ist. Actionlastig ohne
involvierend zu sein, plakativ und vorhersehbar plätschert die Serie dahin,
voll mit langweiligen Stereotypen, archaischen Erzählmustern und uninspirierten
Dialogen. Für den deutschen Erstausstrahlungssender ProSieben war es ein
Quotenhit, was nicht auf künftige Programmplanungen hoffen lässt. The 100 ist Fernsehen, wie es der
Zuschauer eigentlich nicht verdient hat.
1.5/4
TRUE BLOOD
(Staffel 7)
Ich hatte die
Hoffnung aus gutem Grund aufgegeben, dass True
Blood seiner eigenen Prämisse endlich auch auf der soziologischen Ebene
gerecht werden würde, denn auch in der finalen Season entschied man sich, wann
immer möglich, für die Trash-Route. Und nur, damit keine Missverständnisse
aufkommen: ich liebe guten Trash und True
Blood liefert davon eine ganze Menge, auch im letzten Jahr (Erics finaler
Werbespot ist pures Gold wert). Staffel 7 geht einige dramaturgische Wendungen
ein, die ich nicht für möglich gehalten hätte (Profit & Heilung kombiniert
mit Rache wäre so ein Stichwort), gerade im Hinblick auf den unbedingten
Trash-Willen der Serie, liefert genug Futter für uns Jessica/Hoyt-Shipper und
kracht am Ende noch einmal gewaltig aufs Gesicht, wenn Bill eine seiner kruden
Nummern abzieht und Sookie eine irgendwie seltsame „Heimchen-am-Herd“-Rolle
zugeschoben bekommt. True Blood endet
dann so bemüht versöhnlich, dass man kaum glauben kann, dass dies die Serie der
zertretenden Köpfe und explodierenden Körper ist. Und dennoch, und dies war
stets eine der bemerkenswerten Eigenschaften der Serie, fügt sich das Ganze zu
einem durchaus unterhaltsamen Ganzen zusammen. True Blood bleibt bis zum Schluss eine Serie wie ein guter
Pulp-Roman: es ist teilweise hanebüchen, was dort passiert (und es gibt diverse
Charaktere, allen voran Tara, denen rein dramaturgisch ziemlich Unrecht getan
wird), aber es ist so flott und ohne jeglichen Leerlauf inszeniert,
angereichert mit genügend Fanservice (die Sequenz mit der Anwältin, anyone?),
dass es schwer fällt, nach all den Jahren True
Blood noch irgendetwas in Richtung mangelnden Subtext vorzuwerfen (auch
wenn ich es gerne tun würde, aber das habe ich ja eigentlich auch schon
ausgiebig bei den anderen Staffelbesprechungen getan). True Blood ist blutiger Spaß, nicht mehr und nicht weniger, und endet
mit genügend Verve, dass man nicht wie beispielsweise bei How I Met Your Mother zurück im Zorn blickt. Das ist in der
Serienlandschaft auch etwas wert.
3/4
Hi, ich habe dich für den Liebster Award nominiert:
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