Montag, 18. Januar 2016

Serienprotokoll (11)




BLACK MIRROR (Staffel 1 & 2)

Je mehr ich von ihnen sehe, umso mehr gefallen mir Anthologieserien. Sie kommen nie in den Verdacht, eine behagliche Kuschelatmosphäre des Bekannten zu verströmen, weil sie in jeder Folge etwas Neues bieten. Und meine Güte, wie sehr fordert die britische Serie Black Mirror den Zuschauer jedes Mal aufs Neue. Gerade einmal sechs Folgen umfassen die bisher existierenden zwei Staffeln der Serie (plus einem Weihnachtsspecial) und sie bieten genug Denkstoff für Tage. Die Serie ist auf eine Art bösartig, die nie plakativ wirkt, in der Analyse wird sie oft sogar noch grauenvoller, als die erste Ebene suggerieren mag. Wer ihr Technikfeindlichkeit vorwirft, weil sie sich mit den negativen Auswirkungen moderner (und weitergedachten) Technologien beschäftigt, tut ihr Unrecht und verharrt an der Oberfläche. Black Mirror ist schlicht grandios. Zu viel über die Plots zu verraten, wäre ein Frevel, darum sei jedem nur ans Herz gelegt, sich in den Sog der dramaturgisch durchweg cleveren Episoden zu begeben. Selbst die schwächste Folge Black Mirror ist gehaltvoller als vieles andere, was man in punkto Fernsehserien allgemein geboten bekommt.

3.5/4



DR. HOUSE (Staffel 1-6)

Nach Jahren von sporadischen Episodenschnipseln wird nun auch diese Kultserie chronologisch nachgeholt und was soll man sagen: Dr. House ist feinste Unterhaltung, die dramaturgisch zwar erst mit der dritten Staffel in Fahrt kommt und das bis dahin etablierte Schema aufzubrechen beginnt, das Interesse aber kontinuierlich dank der gut geschriebenen Figuren wachhält. House ist das eloquente Ekel, dass jeder manchmal gerne sein möchte und die menschlichen Gegenparts in Form von Dr. Cuddy, Dr. Wilson und House‘ Team reiben sich mitunter auf so spektakuläre Weise aneinander, dass es eine wahre Freude ist, zuzusehen. Die seltenen Krankheiten und Verläufe sind (augenscheinlich) sehr gut recherchiert und bestärken den Zuschauer wieder einmal darin, dass der menschliche Körper der Feind Nummer Eins ist. Dr. House ist ein Musterbeispiel für eine Serie, die sich leicht konsumieren, dabei aber clevere Drehbücher nicht außer Acht lässt. So funktioniert sie auf mehreren Ebenen und auch das ist ein Gewinn. Und gerade dank des großartigen Hugh Lauries kann man den Kult auch sehr gut nachvollziehen.

3/4 (beste Staffeln: 3 und 4, No. 6 ist aufgrund des Beginns die bisher schwächste, macht das aber durch ein sehr gutes Finale wieder wett)



GRACE & FRANKIE (Staffel 1)

Zwei Ehemänner, erfolgreiche Anwälte, eröffnen ihren langjährigen Ehefrauen, dass sie seit 20 Jahren eine Affäre miteinander haben, sie verlassen und endlich als homosexuelles Paar zusammenleben wollen. Die Prämisse könnte der Aufhänger für ein Drama sein, diese Netlix-Serie nimmt aber den Weg Comedy. Bestenfalls geht das Ganze noch als Dramedy durch, in der weder das eine, noch das andere Element sonderlich zufriedenstellend ausgearbeitet wird. Es gibt zwar einige genuin lustige Momente und gerade das Staffelfinale weist den Weg zu einer wahrlich dramatischen Konfrontation mehrerer Charaktere, aber Grace & Frankie ist insgesamt etwas unentschlossen. Uneindeutigkeit ist nicht per se schlecht, aber hier finden die zwei Elemente nie wirklich zusammen. Anders als anderen Serien in diesem Protokoll gelingt die Genre-Durchlässigkeit kaum. Hinzu kommt die mangelnde Chemie zwischen den beiden männlichen Protagonisten, was den Aufhänger der gesamten Sache auf ziemlich wackligen Füßen stehen lässt. Insgesamt okay, aber mit Potenzial zu mehr.

2.5/4



iZOMBIE (Staffel 1)

Oberflächlich betrachtet sollte iZombie nicht so gut sein, wie die Serie de facto daherkommt. Eine Ermittlerin mit besonderen Fähigkeiten, die so teilweise groteske Todesfälle aufklärt – innovativ ist das nicht, auch wenn die Protagonistin ein Zombie ist und durch das Verspeisen von menschlichen Gehirnen einen Teil der Erinnerungen der Toten aufnimmt, um durch die so entstehenden Visionen zur Aufklärung von Mordfällen beizutragen. Wie praktisch so ein Doppelleben als Angestellte in der Polizeipathologie doch ist. Doch iZombie, eine Comicverfilmung, die viele der aufwendigeren und seltsamen Elemente der Vorlage zugunsten der Kernprämisse außer Acht lässt, ist eine höchst unterhaltsame Serie. Protagonistin Liz ist wie die anderen Figuren sehr sympathisch, die Übernahme von Charaktereigenschaften der Toten, deren Hirne sie isst, immer wieder kreativ und dank der übergreifenden Handlungsstränge erstarrt iZombie auch nicht in Routine. Spannend, witzig, mit viel Liebe geschrieben und mit einem ganz eigenen Charme in der Gestaltung ist dies Unterhaltung in reinster Form. iZombie will gar keine Berge versetzen und genau da liegt die Stärke der Serie.

3/4



THE LAST MAN ON EARTH (Staffel 1 & 2)

Eine Serie über den letzten Mann auf Erden – wie soll so etwas funktionieren? Ganz einfach, indem er nicht der Letzte ist. Die mit der ersten Vorschau versprochene Prämisse, Will Forte bei allerlei skurrilen Aktivitäten auf einem menschenleeren Planeten zuzusehen, wird gleich mit der ersten Folge über Bord geworfen. Nachdem ein Virus so gut wie die komplette Weltbevölkerung dahingerafft hat, trifft der Protagonist Phil Miller schnell auf weitere Überlebende, und wie es sich für eine selbsternannte Comedy gehört, hangelt man sich dann von grotesker Situation zu Situation. Das klingt schlimmer, als es im Endeffekt ist und auch wenn man Phil in der ersten Staffel mehr als einmal an die Wand klatschen möchte, zeigt die Serie doch sehr schnell und sehr deutlich, dass sie ein genuines Interesse an menschlichen Beziehungen hat. Vieles ist selbstredend überspitzt, aber The Last Man On Earth zieht seine Attraktivität vor allem aus dem genauen Beobachten von zwischenmenschlicher Interaktion. Mit dem Beginn der deutlich besseren zweiten Staffel hat die Serie ihre Mitte gefunden, die Beziehungen der Figuren untereinander werden dynamischer, vor allem die zwischen Phil und Carol wird vom Störfaktor zum genuinen fluff. The Last Man on Earth ist spannend, ohne eine Thrillerserie zu sein, witzig, ohne sich allen Statuten gerade der US-Genrespielweise zu beugen, nachdenklich, ohne dass sie ins melodramatische absinkt. Es ist eine Serie, die geschickt und vor allem sehr unterhaltsam zwischen den Genres laviert. Auf Phil Miller und seine Mitstreiter sollte man auch weiterhin ein Auge haben.

Staffel 1: 3/4
Staffel 2: 3.5/4



MARVEL’S AGENTS OF S.H.I.E.L.D. (Staffel 1)

Der Backlash für den zweiten Avengers-Film hat es bereits gezeigt: MARVEL ist selbst bei den interessierten Nerds nicht mehr der über alles erhabene Platzhirsch. Ganz davon ab, dass das Universum mit jedem neuen Film dem Schicksal der Comics näher kommt, zu einem irgendwann nicht mehr überschaubaren und letztlich auch belanglosen Konglomerat zu werden. Und jetzt auch noch TV-Serien, die innerhalb der Kontinuität spielen!
Agents of S.H.I.E.L.D. ist denn auch eine leidlich unterhaltsame Angelegenheit, die eher wie eine 90er-Jahre-Serie wirkt. Die Missionen sind meist austauschbar, die Figuren durch ihre stereotype Besetzung ebenso und visuell ist die Serie nur in wenigen Momenten wirklich einfallsreich. Colsons Hirn-OP ist zwar der Stoff, aus dem Alpträume gestrickt sind, aber dies gehört zu den wenigen wirklichen Highlights der Staffel. Leidlich unterhaltsam ist das Ganze ja durchaus, aber Agents of S.H.I.E.L.D. beweist auch im Kleinen, dass der Name MARVEL nicht zwangsläufig ein Erfolgsgarant ist. Wenn sich die Serie mit Staffel 2 nicht radikal aus ihrer genügsamen Ecke bewegt, sehe ich eher schwarz.

2.5/4



UNBREAKABLE KIMMY SCHMIDT (Staffel 1)

Bemüht ist wohl das Wort, das am ehesten diese Netflix-Comedy beschreibt. Die überdrehte Geschichte einer jungen Frau, die jahrelang von einem seltsamen Sektenführer in einem unterirdischen Bunker im Glaube gelassen wurde, die Erde sei untergegangen und schließlich gerettet wird, um sich den Widrigkeiten der Moderne gegenüberzusehen, hätte auch der Stoff für ein Drama sein können. Aber da man aus Unbreakable Kimmy Schmidt nicht einmal eine Dramedy, sondern einfach eine Sitcom entstehen ließ, verbieten sich natürlich alle düsteren Implikationen, die die Prämisse bei genauerem Hinsehen mit sich bringt. Stattdessen folgt man der naiven Kimmy bei ihren Gehversuchen in New York, dabei, wie sie neue Freunde und einen Job findet und ganz, ganz am Rande auch, wie sie über die Welt staunt, die sich während ihrer „Abwesenheit“ entwickelt hat. Denn am Clash zwischen Kimmy und der Gegenwart hat die Serie paradoxerweise kaum Interesse. Stattdessen wird die reichlich enervierend geschriebene Figur in die gängigen Sitcom-Situationen gebracht, die sie mit ihrem fast schon abartig positiven Wesen durchstehen muss. Das ist meistens weder besonders witzig noch besonders clever. Erst am Ende, wenn die Serie zu einer brillanten Satire auf das US-amerikanische Justizsystem wird, beginnt sich echter Elan und echtes Interesse zu entfalten. Ansonsten ist diese Comedy eher vergessenswert und wenn nicht einige Stellschrauben kräftig korrigiert werden, sieht es für das Gelingen einer zweiten Staffel düster aus. Das Beste, was letztlich aus Unbreakable Kimmy Schmidt hervorgegangen ist, ist der Theme Song-Mashup mit Mad Max: Fury Road. Hm.

2/4



THE WALKING DEAD (Staffel 5)

Inzwischen bin ich in punkto The Walking Dead beim vergnüglichen Hatewatching angekommen. Während der Comic sich aus seinen Tiefs immer wieder fängt und seine Charaktere weitestgehend fair behandelt, ist die Serie inzwischen bei hochwertig produzierter, gepflegter Langeweile angekommen. In Retrospektive war ich wohl auch zu der vorherigen Staffel noch zu milde. Wie dem auch sei, Staffel Fünf ist ein heilloses, lustlos herunter gespultes Durcheinander von Handlungssträngen und einer Gleichgültigkeit gegenüber den Figuren, die bemerkenswert ist. Die Staffel hetzt unfokussiert von einer Location zur Nächsten, lässt das Potenzial der bemerkenswert bekloppten Einrichtung Terminus verpuffen, weiß nichts mit dem Krankenhaus anzufangen und transportiert die Figuren dann plötzlich fast 700 Meilen von Atlanta nach Washington D.C., was in der Serie als ein Fußmarsch von 100 Meilen heruntergespielt wird (dies ist angesichts der immer gleichen Ansichten der immer gleichen fünf Quadratmeter Wald allerdings auch egal – die „Bühnen“ sind in der Serie inzwischen frustrierend austauschbar geworden). Es wirkt viel zu oft so, als hätten die Macher inzwischen jeglichen Elan dran gegeben, egal was sie tun, die Serie wird ohnehin geschaut. Einzig der neue Charakter Gabriel hat seine Übertragung von einem Medium ins nächste sehr gut überstanden und die Sequenz in der Scheune, als Zombies während eines Gewitters versuchen, sich Zutritt zu verschaffen, ist das einsame Highlight der Staffel. Ansonsten ist The Walking Dead wieder bei seiner Angst vor schwarzen Männern angekommen (allein drei sterben in dieser Saison, alle intelligenter und interessanter als Rick, dem Andrew Lincoln zunehmend nicht mehr gerecht wird) und metzelt auch sonst Charaktere nur noch wegen des „Schockeffektes“ dahin. Ist ja auch egal, wie viel in Gareth als Antagonist steckte, der Zuschauer dürstet danach, ihn grausam sterben zu sehen. Gähn.
Es wird immer mehr gewahr, wie sehr The Walking Dead als Serie dahin strauchelt. Die Hoffnung aus Staffel Eins ist schon lange einer Ernüchterung gewichen, die der redundanten Zombiesaga im Kern ihres Wesens nicht würdig ist. Und diesmal gibt es nichts, was auf eine bessere nächste Staffel hoffen lässt.

2/4

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