Spoiler-Alarm. Mehr sage ich diesmal nicht.
BREAKING BAD (Staffel 1 -
5)
Es ist vollbracht: Ich habe es geschafft, eine der
bekanntesten und gefeiertesten Serien des amerikanischen Quality-TVs in einem Monat komplett anzusehen. Fünf Jahre in einem
Monat, da kommen schon einige Stunden zusammen. Und da ich es als nicht
sinnvoll erachte, hier jede Staffel für sich zu besprechen, hier meine
Eindrücke ungeachtet ihrer zeitlichen Einordnung.
Zunächst kann ich sagen: ich mochte Breaking Bad. Sehr. Die Serie ist kompetent gemacht und grandios
gespielt und das Interesse wird konstant wach gehalten. Außerdem ist es einfach
grandios, wie viel Diskussionsstoff die Serie bietet, auch wenn ich manchmal
den Eindruck hatte, dass dies gar nicht so vom Creator Vince Gilligan
beabsichtigt war. An der Handhabung diverser Elemente können sich fruchtbare
Diskurse entspinnen und zu einigen möchte ich einfach auch ein paar Worte
verlieren.
Eins der meistdiskutiertesten Elemente dürfte die Beziehung
zwischen Skyler und Walter sein. Gerade Skyler wird ja ungeheuer viel Hass
entgegengebracht, während Walter trotz seiner unsäglichen Taten moralisch recht
unbeschadet aus vielen Situationen herausgeht – zumindest in den Augen vieler
Zuschauer. Das ist weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar. Aber wo fange ich
am besten an? Vielleicht zunächst mit der Beichte, dass ich mit Skyler in den
ersten zwei Staffeln auch nicht so ganz warm wurde. Den Grund hierfür sehe ich
vor allem in einem recht billigen Manipulationsversuch von Gilligan: das
Publikum wird zum Mitwisser, wir sind über Walters Aktivitäten und seine
Beweggründe stets informiert und urteilen über Skyler aus dieser omnipräsenten
Perspektive. „Kannst du den armen Walter nicht in Ruhe lassen? Er tut doch so
viel und das alles nur für dich! Hör auf, dich zu beschweren!“ – es sind solche
Überlegungen, bei denen man(n) sich ertappt, die man aber hinterfragen sollte.
Aus Skylers Sicht wird Walt zusehends seltsamer, er kommuniziert nicht mit ihr,
er stößt sie regelmäßig vor den Kopf, er ist mit seinen Gedanken stets an
anderer Stelle, nur nicht bei ihr und Walter Jr. und (später) Holly. Wer in
dieser Situation anders reagieren würde, der möge den ersten Stein werfen. So
ist der Hass auf Skyler vor allem durch eine gewisse Unfähigkeit zum
Perspektivwechsel zu erklären und man sollte, man muss Gilligan einen Vorwurf
machen, dass er zwei Staffeln dieses unfaire Ungleichgewicht aufrecht erhält.
Erst mit der Komplizenschaft der Eheleute ändert sich die Dynamik, Skyler und
Walter begegnen sich sehr viel mehr auf Augenhöhe (und ich behaupte nicht, dass
die vorherig fehlende Balance einzig auf den Schultern einer einzelnen Person
ruht – die Whites sind im Laufe der Jahre zunehmend dysfunktionaler geworden)
und in Staffel 3 und 4 ist es eine schiere Freude, ihnen zuzusehen. Ihre
Machtspielchen sind nicht immer fair, aber welche Beziehung ist das schon
kontinuierlich? Solange die Beiden auf einer Stufe stehen, ist alles in
Ordnung, mit Staffel 5 kippt das Ganze dann wieder zugunsten Walts.
Im Angesicht einer zunehmenden Pathologiserung ihres Mannes –
wer könnte Skyler da verübeln, dass sie sich den Krebs zurückwünscht? Selbstredend
ist auch das nicht fair, aber kann, soll man Walts Festhalten an überkommenden
Männlichkeitsbildern gut heißen? Es wird viel darüber geredet, was einen Mann
ausmacht – er sorgt für seine Familie, egal was kommt, aber Breaking Bad meint damit nicht eine
emotionale, sondern ausschließlich eine finanzielle Versorgung. Walt, dessen
Ego durch das Drogenkochen immer neue Schübe erhält, meint, mit Geld alles
regeln zu können, sein Materialismus, der irgendwann befriedigt sein sollte,
treibt ihn immer weiter. Breaking Bad
ist im Grunde eine fünf Staffeln andauernde Obsessionstudie, auch darüber, wie
die Besessenheit von einem bestimmten Ideal von Männlichkeit alles zerfrisst,
was man sich aufgebaut hat, aber nicht als so wertvoll ansieht. Im anfänglichen
Nerd Walter schlummert ein archaisches Monster, unfähig, seine Familie als
wertvoller als den Ruhm seines Alter Egos Heisenberg anzuerkennen.
So ist denn auch Jesse die unbestreitbar tragischste Figur
der ganzen Serie, deren ständige Quälereien den Zuschauer manchmal regelrecht
in Agonie verfallen lassen. Ich persönlich habe etwas gebraucht, um ihn zu
mögen, aber spätestens mit Ende der ersten Staffel wurde klar, dass Jesse nicht
gemacht ist für die von Testosteron gesteuerte Welt, die auf Walt eine schräge
Faszination ausübt. Jesse baut sich mühselig immer wieder ein Quäntchen Glück
auf, nur um es dann auf grausamste Art entrissen zu bekommen. Walts Mord an
Jane durch unterlassene Hilfeleistung ist denn nicht nur eine willkommene
Gelegenheit, um Jesse wieder „auf Kurs“ zu bringen, sondern auch eine
Ersatzhandlung: Jane hat es gewagt, Walt Widerworte entgegen zu schleudern,
ähnlich wie es Skyler zu diesem Zeitpunkt noch tat (Ende Staffel 2), ihr beim
Sterben zuzusehen ist auch ein Blick in die dunkelsten Abgründe von Walts Seele
und seiner Beziehung zu seiner Frau. Wenn man Jane in dieser Situation als
Surrogat für Skyler sieht, vollzieht sich das titelgebende Abdriften auf die
schiefe Bahn wohl in kaum einem anderen Moment so sehr wie diesem. Schon allein
deshalb bin ich der Meinung, dass die erste Konfrontation mit Gewalt für Walt
zu früh in der Serie stattfindet – sein erster Mord, da noch aus Notwehr, setzt
zwar die Handlung weiter in Gang, kommt aber gefühlt zu früh.
Sollte Jesse in irgendeiner Spin-Off-Serie (Saul Goodman ist ja im Gespräch) wieder auftauchen, wird man ihn sicherlich in einer Therapieeinrichtung wiederfinden, auch wenn seine Weigerung, Walt zu töten am Ende der Serie natürlich auch als Emanzipation gesehen werden kann.
Breaking Bad
stellt immer wieder moralische Fragen und entwickelt dabei komplexe, tragische
Figuren. Von den Manipulationsversuchen Gilligans sollte man sich allerdings
nicht allzu sehr einnehmen lassen, die Serie sollte immer mit einem wachen,
kritischen, hinterfragungsfreudigen Verstand gesehen werden. Dann macht sie
sogar noch mehr Spaß als als „pure“ Unterhaltung auf hohem erzählerischem und
handwerklichem Niveau.
Staffel 1: 3.5/4
(ein toller, sofort involvierender Auftakt mit kleineren Disharmonien)
Staffel 2: 4/4
(spannend, episch, konstant großartig – die beste Staffel der Serie, auch wenn
die Auflösung der Teddybär-Teaser etwas arg konstruiert ist)
Staffel 3: 3.5/4
(nach schwachem Auftakt geht es beständig weiter – außerdem: Gustavo Fring!)
Staffel 4: 3.5/4
(die Auflösung des Duells Gustavo Fring Vs. Walter – hervorragend)
Staffel 5: 3/4 (die
schwächste Staffel, weil sie wie ein nicht wirklich benötigtes Anhängsel wirkt,
in dem Fring als charismatischer Gegenspieler schlicht eine Lücke hinterlässt.
Immerhin: Nazis niedermähen.)
ORPHAN BLACK (Staffel 1)
Bei so viel Breaking
Bad ist es wohl kaum verwunderlich, dass für andere Serien kaum Zeit blieb.
Außerdem verstoße ich hier gleich mal wieder gegen meine eigene Regel, nach der
ich nur vollständige Staffeln besprechen wollte, denn die finalen zwei Episoden
von Orphan Black fehlen mir noch. Meine
Hoffnungen auf ein Herumreißen des Steuers sind aber nicht sonderlich hoch,
deshalb hier schon mal meine bisherigen Eindrücke.
Irgendwo, gar nicht mal so tief verborgen, schlummert eine großartige Serie in Orphan Black, deren Geheimnis, dass es um Klone geht, keins war, schon allein, weil ZDF Neo den Hastag #cloneclub von der ersten Folge an einblenden musste. Nun gut, die Serie hält sich auch glücklicherweise nicht wie J.J. Abrams mit Geheimnissen auf, die keine sind, weshalb die Prämisse schon sehr schnell klar wird. Packen konnte mich die Serie allerdings bisher nicht, die Figuren sind mir zu stereotyp oder zu enervierend, die Geschichte nicht so involvierend erzählt, wie man es sich wünschen würde und die Gestaltung deprimierend und langweilig. Mal schauen, ob sich das mit der zweiten Staffel, die im Herbst bei uns laufen soll, ändert, aber ich glaube, wenn meine Frau nicht faszinierter von Orphan Black wäre als ich – ich hätte die Serie schon abgebrochen, auch und gerade, weil sie die ihr innewohnenden Ideen und Diskurse sehr plakativ dahin klatscht, damit es auch noch der letzte Zuschauer versteht.
2/4
Bei "Orphan Black" ging es mir ganz genauso. Sehr viel Handlung und Geschehen, wenig Psychologie und Reflexion. Das ist eine Serie, die mir wieder deutlich machte, wie wichtig Charaktere sind, die über viele Staffeln hinweg packen können. Irgendwann gegen Ende von Staffel 1 habe ich abgebrochen.
AntwortenLöschen