Dienstag, 27. Mai 2014

Serienprotokoll (5/Mai 2014)



Spoiler-Alarm. Mehr sage ich diesmal nicht.


BREAKING BAD (Staffel 1 - 5)

Es ist vollbracht: Ich habe es geschafft, eine der bekanntesten und gefeiertesten Serien des amerikanischen Quality-TVs in einem Monat komplett anzusehen. Fünf Jahre in einem Monat, da kommen schon einige Stunden zusammen. Und da ich es als nicht sinnvoll erachte, hier jede Staffel für sich zu besprechen, hier meine Eindrücke ungeachtet ihrer zeitlichen Einordnung.

Zunächst kann ich sagen: ich mochte Breaking Bad. Sehr. Die Serie ist kompetent gemacht und grandios gespielt und das Interesse wird konstant wach gehalten. Außerdem ist es einfach grandios, wie viel Diskussionsstoff die Serie bietet, auch wenn ich manchmal den Eindruck hatte, dass dies gar nicht so vom Creator Vince Gilligan beabsichtigt war. An der Handhabung diverser Elemente können sich fruchtbare Diskurse entspinnen und zu einigen möchte ich einfach auch ein paar Worte verlieren.

Eins der meistdiskutiertesten Elemente dürfte die Beziehung zwischen Skyler und Walter sein. Gerade Skyler wird ja ungeheuer viel Hass entgegengebracht, während Walter trotz seiner unsäglichen Taten moralisch recht unbeschadet aus vielen Situationen herausgeht – zumindest in den Augen vieler Zuschauer. Das ist weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar. Aber wo fange ich am besten an? Vielleicht zunächst mit der Beichte, dass ich mit Skyler in den ersten zwei Staffeln auch nicht so ganz warm wurde. Den Grund hierfür sehe ich vor allem in einem recht billigen Manipulationsversuch von Gilligan: das Publikum wird zum Mitwisser, wir sind über Walters Aktivitäten und seine Beweggründe stets informiert und urteilen über Skyler aus dieser omnipräsenten Perspektive. „Kannst du den armen Walter nicht in Ruhe lassen? Er tut doch so viel und das alles nur für dich! Hör auf, dich zu beschweren!“ – es sind solche Überlegungen, bei denen man(n) sich ertappt, die man aber hinterfragen sollte. Aus Skylers Sicht wird Walt zusehends seltsamer, er kommuniziert nicht mit ihr, er stößt sie regelmäßig vor den Kopf, er ist mit seinen Gedanken stets an anderer Stelle, nur nicht bei ihr und Walter Jr. und (später) Holly. Wer in dieser Situation anders reagieren würde, der möge den ersten Stein werfen. So ist der Hass auf Skyler vor allem durch eine gewisse Unfähigkeit zum Perspektivwechsel zu erklären und man sollte, man muss Gilligan einen Vorwurf machen, dass er zwei Staffeln dieses unfaire Ungleichgewicht aufrecht erhält. Erst mit der Komplizenschaft der Eheleute ändert sich die Dynamik, Skyler und Walter begegnen sich sehr viel mehr auf Augenhöhe (und ich behaupte nicht, dass die vorherig fehlende Balance einzig auf den Schultern einer einzelnen Person ruht – die Whites sind im Laufe der Jahre zunehmend dysfunktionaler geworden) und in Staffel 3 und 4 ist es eine schiere Freude, ihnen zuzusehen. Ihre Machtspielchen sind nicht immer fair, aber welche Beziehung ist das schon kontinuierlich? Solange die Beiden auf einer Stufe stehen, ist alles in Ordnung, mit Staffel 5 kippt das Ganze dann wieder zugunsten Walts.

Im Angesicht einer zunehmenden Pathologiserung ihres Mannes – wer könnte Skyler da verübeln, dass sie sich den Krebs zurückwünscht? Selbstredend ist auch das nicht fair, aber kann, soll man Walts Festhalten an überkommenden Männlichkeitsbildern gut heißen? Es wird viel darüber geredet, was einen Mann ausmacht – er sorgt für seine Familie, egal was kommt, aber Breaking Bad meint damit nicht eine emotionale, sondern ausschließlich eine finanzielle Versorgung. Walt, dessen Ego durch das Drogenkochen immer neue Schübe erhält, meint, mit Geld alles regeln zu können, sein Materialismus, der irgendwann befriedigt sein sollte, treibt ihn immer weiter. Breaking Bad ist im Grunde eine fünf Staffeln andauernde Obsessionstudie, auch darüber, wie die Besessenheit von einem bestimmten Ideal von Männlichkeit alles zerfrisst, was man sich aufgebaut hat, aber nicht als so wertvoll ansieht. Im anfänglichen Nerd Walter schlummert ein archaisches Monster, unfähig, seine Familie als wertvoller als den Ruhm seines Alter Egos Heisenberg anzuerkennen. 

So ist denn auch Jesse die unbestreitbar tragischste Figur der ganzen Serie, deren ständige Quälereien den Zuschauer manchmal regelrecht in Agonie verfallen lassen. Ich persönlich habe etwas gebraucht, um ihn zu mögen, aber spätestens mit Ende der ersten Staffel wurde klar, dass Jesse nicht gemacht ist für die von Testosteron gesteuerte Welt, die auf Walt eine schräge Faszination ausübt. Jesse baut sich mühselig immer wieder ein Quäntchen Glück auf, nur um es dann auf grausamste Art entrissen zu bekommen. Walts Mord an Jane durch unterlassene Hilfeleistung ist denn nicht nur eine willkommene Gelegenheit, um Jesse wieder „auf Kurs“ zu bringen, sondern auch eine Ersatzhandlung: Jane hat es gewagt, Walt Widerworte entgegen zu schleudern, ähnlich wie es Skyler zu diesem Zeitpunkt noch tat (Ende Staffel 2), ihr beim Sterben zuzusehen ist auch ein Blick in die dunkelsten Abgründe von Walts Seele und seiner Beziehung zu seiner Frau. Wenn man Jane in dieser Situation als Surrogat für Skyler sieht, vollzieht sich das titelgebende Abdriften auf die schiefe Bahn wohl in kaum einem anderen Moment so sehr wie diesem. Schon allein deshalb bin ich der Meinung, dass die erste Konfrontation mit Gewalt für Walt zu früh in der Serie stattfindet – sein erster Mord, da noch aus Notwehr, setzt zwar die Handlung weiter in Gang, kommt aber gefühlt zu früh.

Sollte Jesse in irgendeiner Spin-Off-Serie (Saul Goodman ist ja im Gespräch) wieder auftauchen, wird man ihn sicherlich in einer Therapieeinrichtung wiederfinden, auch wenn seine Weigerung, Walt zu töten am Ende der Serie natürlich auch als Emanzipation gesehen werden kann. 

Breaking Bad stellt immer wieder moralische Fragen und entwickelt dabei komplexe, tragische Figuren. Von den Manipulationsversuchen Gilligans sollte man sich allerdings nicht allzu sehr einnehmen lassen, die Serie sollte immer mit einem wachen, kritischen, hinterfragungsfreudigen Verstand gesehen werden. Dann macht sie sogar noch mehr Spaß als als „pure“ Unterhaltung auf hohem erzählerischem und handwerklichem Niveau.

Staffel 1: 3.5/4 (ein toller, sofort involvierender Auftakt mit kleineren Disharmonien)

Staffel 2: 4/4 (spannend, episch, konstant großartig – die beste Staffel der Serie, auch wenn die Auflösung der Teddybär-Teaser etwas arg konstruiert ist)

Staffel 3: 3.5/4 (nach schwachem Auftakt geht es beständig weiter – außerdem: Gustavo Fring!)

Staffel 4: 3.5/4 (die Auflösung des Duells Gustavo Fring Vs. Walter – hervorragend)

Staffel 5: 3/4 (die schwächste Staffel, weil sie wie ein nicht wirklich benötigtes Anhängsel wirkt, in dem Fring als charismatischer Gegenspieler schlicht eine Lücke hinterlässt. Immerhin: Nazis niedermähen.)



ORPHAN BLACK (Staffel 1)

Bei so viel Breaking Bad ist es wohl kaum verwunderlich, dass für andere Serien kaum Zeit blieb. Außerdem verstoße ich hier gleich mal wieder gegen meine eigene Regel, nach der ich nur vollständige Staffeln besprechen wollte, denn die finalen zwei Episoden von Orphan Black fehlen mir noch. Meine Hoffnungen auf ein Herumreißen des Steuers sind aber nicht sonderlich hoch, deshalb hier schon mal meine bisherigen Eindrücke.

Irgendwo, gar nicht mal so tief verborgen, schlummert eine großartige Serie in Orphan Black, deren Geheimnis, dass es um Klone geht, keins war, schon allein, weil ZDF Neo den Hastag #cloneclub von der ersten Folge an einblenden musste. Nun gut, die Serie hält sich auch glücklicherweise nicht wie J.J. Abrams mit Geheimnissen auf, die keine sind, weshalb die Prämisse schon sehr schnell klar wird. Packen konnte mich die Serie allerdings bisher nicht, die Figuren sind mir zu stereotyp oder zu enervierend, die Geschichte nicht so involvierend erzählt, wie man es sich wünschen würde und die Gestaltung deprimierend und langweilig. Mal schauen, ob sich das mit der zweiten Staffel, die im Herbst bei uns laufen soll, ändert, aber ich glaube, wenn meine Frau nicht faszinierter von Orphan Black wäre als ich – ich hätte die Serie schon abgebrochen, auch und gerade, weil sie die ihr innewohnenden Ideen und Diskurse sehr plakativ dahin klatscht, damit es auch noch der letzte Zuschauer versteht.

2/4

1 Kommentar:

  1. Bei "Orphan Black" ging es mir ganz genauso. Sehr viel Handlung und Geschehen, wenig Psychologie und Reflexion. Das ist eine Serie, die mir wieder deutlich machte, wie wichtig Charaktere sind, die über viele Staffeln hinweg packen können. Irgendwann gegen Ende von Staffel 1 habe ich abgebrochen.

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