Tag 2 – Nenne deinen Lieblingsfilm.
Das ist etwas gemein, arbeite ich doch nun seit etwa 10
Jahren an einer persönlichen Top 100, die, bei diesem Arbeitstempo, irgendwann
veröffentlicht wird wenn ich 80 Jahre alt bin, und dieser Film stand bisher die
ganze Zeit auf Platz 1. Gemein ist es also darum, weil diese Frage somit einen
gewissen Spoiler-Charakter hat. Aber nun gut, mit den riesigen Löchern in
meinem Filmkatalog, die noch zu stopfen sind, bevor ich mit gutem Gewissen mit
einer solchen Liste vor die Öffentlichkeit treten kann, ist es im Bereich des
Möglichen, dass sich auch mein langjähriger Lieblingsfilm noch ändert.
Bei einem Zulieferer von RogerEbert.com
las ich einmal die Erkenntnis, dass sich Menschen recht früh für einen
Lieblingsfilm entscheiden und dies meistens irreversibel ist. Der Lieblingsfilm
des Autors war Der weiße Hai und
genauso wenig wie ich das nachvollziehen kann (sorry, aber Der weiße Hai ist not my cup
of tea) wird mancher wohl meinen Lieblingsfilm nachvollziehen können: Jim
Hensons Der dunkle Kristall.
Ich mochte diesen Film bereits, bevor ich ihn gesehen habe.
Angefixt durch ein paar Ausschnitte in dem TV-Special Die Muppets feiern Jim Henson, die wohlwollenden Erinnerungen
meines Onkels an den Film und einen Bericht in der März-Ausgabe der cinema des Jahres 1983 (wie gut das es
Verwandte gibt, die sowas aufheben), hatte ich stets ein offenes Auge, ob der
Film irgendwo, bevorzugt in Fernsehen, auftauchen würde. Ich kann das Jahr
nicht mehr rekapitulieren, aber ich weiß, dass arte ihn dann irgendwann tatsächlich zur besten Sendezeit an einem
23.12. ins Programm nahm. Der Videorekorder wurde doppelt und dreifach gecheckt
und schlussendlich bewacht, dass er den Film auch ja aufzeichnete. Er tat es.
Zum Glück. Denn Der dunkle Kristall verlangte
nach multiplen Sichtungen.
Ich war bereits vorher ein großer Muppets-Fan, die Welt, die Jim Henson und seine Crew schufen, in
der Puppen und Menschen interagierten, übte eine ungemeine Anziehungskraft auf
mich aus. Ich bewunderte die technische Umsetzung und lange Jahre war es mir
ein absolutes Rätsel, wie Kermit in Muppet
Movie Fahrrad fahren konnte. Oder wie Fozzie ein Auto lenken konnte. Nun
gut. Zudem waren die Geschichten witzig, rasant und je weniger Menschen in
einem Film vorkamen, desto besser. Die Muppets
befriedigten meine Sucht nach sympathischen Nicht-Menschlichen-Akteuren
bestens. Der dunkle Kristall ist
somit der ultimative Henson-Film, kommt doch hier, im Gegensatz zu den
sonstigen Muppets-Filmen, kein
einziger Mensch vor, noch kann man die Protagonisten mit Kermit, Miss Piggy und
Co. vergleichen. Der dunkle Kristall
ist eine recht düstere Fantasy-Geschichte, deren Story zwar kaum mehr als eine
simple Gut-gegen-Böse-Narrative erzählt, dies aber mit einer Spielfreude und
einer Virtuosität tut, dass man sich kaum entziehen kann. Der Film ist wie ein
abenteuerlicher Traum, in dem immer neue Gestalten auftauchen und in dem sich
die Regeln, nach denen die Welt funktioniert, erst langsam erschließen.
Wenn es jemals einen Film gab, der für mich den Eskapismus
des Kinos auf den Punkt brachte, dann ist es Der dunkle Kristall. Ich habe Filme mit ausgefeilterer Geschichte
gesehen, mit gebrocheneren Figuren und mehr dramaturgischen Finessen, aber Jim
Henson magnum opus wird für mich
immer DER Film sein, der am besten die Fähigkeiten des Kinos illustriert, den
Zuschauer in einen andere Welt zu entführen. Bis vielleicht irgendwann ein Film
des Weges kommt, der Der dunkle Kristall
vom Thron stoßen könnte, wird es für mich wohl noch oft heißen: „Eine andere Welt. Eine andere Zeit. Im
Zeitalter voller Wunder.“
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